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Ich, Jürgen Eger – Made in DDR

Jürgen Eger - Mit freundlicher Erlaubnis des Künstlers für American Rebel und Info-Welt
*Unsere Partnerseite American Rebel überließ uns diesen Beitrag von Jürgen Eger. So zeigen wir einen Einblick in die Kunst und Kultur in der Deutschen Demokratischen Republik der 80er Jahre, von der im Westen leider viel zu wenig bekannt ist. (*Info-Welt, Rui Filipe Gutschmidt)
Der Dichtersänger Jürgen Eger stellt sich vor
Die Redaktion von American Rebel bat mich, an dieser Stelle ein paar Arbeiten von mir aus den 80er Jahren vorzustellen. Das will ich gerne machen, und also darf ich auch mich selbst denen, die mich nicht kennen oder vergessen haben, kurz vorstellen.

Von Jürgen Eger - 26. Februar 2018

Geboren 1954 in Berlin, Hauptstadt der DDR, durchlief ich von der Kinderkrippe über Einschulung, EOS bis zum erfolgreichen Abschluss des Diplomstudiengangs Elektronik/Technologie an der TU Dresden, einen ganz normalen DDR-Bürger-Lebensbeschreitungsweg.

Während meiner drei Absolventen-Pflichtjahre in einem Berliner VEB begann ich mit dem Gesangsunterricht an der berühmten Musikschule Friedrichshain. Nach meiner Kündigung war ich dann, um nicht als asozial zu gelten, Nachhilfelehrer für Mathe und Physik. Das musste ich, um Amateurmusiker sein zu können. Danach, erst halbillegal, wenig später nach einem Sängerpreis bei den DDR-nationalen Chansontagen in Frankfurt/Oder 1981, berufsausweis-anerkannter DDR-Chansonsänger. Ich verwendete aber alsbald für mich die Bezeichnung ‚Dichtersänger‘. Als Alleinstellungsmerkmal, wie man dazu heute in der sogenannten Freiheit sagt. Soviel Marketing ging auch in der DDR. Später konnte ich mich auch als Publizist und Regisseur profilieren. Ich war seit 1981 der wohl einzige staatlich-anerkannt-freischaffende und steuerlich so geführte Agitator der DDR, und es war immer lustig bis verunsichernd, wenn ich das, bis 1989, zum besten gab. Ab 1990 wurde meine kleine Schweykiade dann von den Besatzern und ihren Kollaborateuren absichtsvoll missverstanden und als Verbrechen gewertet und ich war allein deshalb, mit 35 Jahren, schon eine sogenannte Altlast.

Ich studierte in den 1980ern sieben Jahre lang selbstbestimmt und privat an der Berliner Musikhochschule und an der Humboldt-Uni in Berlin, textete gelegentlich auch für andere, machte Theater und hatte in den DDR-Endzeiten auch eine Band, mit der ich DDR-Rock- und Pop-Lieder aufführte, auch solche, die nicht mehr über den Rundfunk gesendet wurden: Renft, Krug, Panta Rhei, Fischer usw. Die DDR hat so viele schöne deutsche Lieder hervorgebracht! Allein das kennzeichnet sie schon als ihrem heutigen Zerrbild entgegengesetzt.

Als Herbstaktivist beteiligte ich mich 1989 an diversen Kollektivunternehmungen, die sämtlich seit 1990 totalgleichgeschaltet großöffentlich falsch und von Jahr zu Jahr falscher erzählt werden. Sowohl die Resolution der Rocker und Liedermacher im September, als auch die Demo am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin (DDR) – ich war an beidem von Anfang bis Ende beteiligt – und so vieles andere waren seitens der Aktivisten, Organisatoren, Mitwirkenden, Erstunterzeichner usw. mit der Verteidigung und Verbesserung der DDR motiviert; woran sich der eine und die andere alsbald nicht mehr erinnern konnte oder wollte oder beides… Und die anderen werden eben nicht mehr gefragt oder nicht gesendet, wenn sich falschrichtig-richtigfalsch antworten. Und mit Kirche hatte das meiste sowieso nichts zu tun. Ich wurde u.a. zweimaliger Preisträger der Chansontage, Kunstpreisträger der FDJ und der DDR.

Anfang Dezember 1989 wurde ich als einer der ersten DDR-Künstler unter Mitwirkung einiger meiner mir in den Rücken gefallenen DDR-Kollegen, einige fressen heute noch auf der Grundlage entsprechender „freiheitlicher“ Schuldbekenntnisse und Denunziationen ihr künstlerisches Gnadenbrot im Anschluß-Ghetto, von Biermann & Co. abgestraft und in die Volksverhetzungssuppe gehackt. Der B. war und hatte sich selbst sozusagen vorgeschickt, die kohlsche Neuauflage des hitlerschen Kommissarbefehls durch- und auszugeben. Es gab damals keinen Geeigneteren. Und also wird er heute noch vom Regime auch dafür belohnt. Es folgten mehrere Berufsverbote, die aber seit 1990 nicht mehr Berufsverbote genannt werden, des weiteren Degradierungen, Plattmachen, Strafverfolgungen, Verfahren, Prozesse… Das seither millionenfach gegen DDR-Bürger praktizierte Übliche. Was aber auch großöffentlich und parlamentsroutinedreh-korrupt in den Propaganda-Skat gedrückt wird, nicht zuletzt mittels Umbenennung der DDR-Bürger in sogenannten Ostdeutsche. So verliert sich meine künstlerische Spur in der Totalzensur der Anschlußdiktatoren.


Manu (1982)

Mit „Manu“ ging ich 1983 zum zweiten Mal nach Frankfurt/O an den Start zu den Chansontagen. Beim ersten Mal, 1981, war das spannendste Lied meines Werkstattauftritts „Der Enkel des Wunderrabbi“ – die Teilnehmer sangen so zwei drei mal Lieder. Spannend auch, weil ich den „Enkel“ damals erst wenige Wochen vorher geschrieben, so zwei…drei, und nur 1…2 Mal öffentlich gesungen hatte. Meine Freunde hatten mir abgeraten, sie meinten, es sei politisch zu gewagt… Tatsächlich hatten auch einige Funktionäre im Vorfeld der Chansontage Angst vor dem Lied, weil sie meinten, es könne als antisemitisch gewertet werden… Und sie hätten dann als nicht wachsam genug was abbekommen können, wenn sie nicht gegen das Lied gewesen wären.

Diesmal also ein Lied, das ich schon gut ausprobiert hatte, und um dessen Stärke und Wirkung ich wußte. Und richtig, ich wurde nach meinem Auftritt eigentlich von allen Kennern und Eingeweihten, aber auch von normalen Kartenkäufern mit klaren Vorsprung als Hauptpreisträger gehandelt, und das blieb auch so bis zum Ende der Wettbewerbsauftritte. Aber – o Wunder! – Hauptpreisträger wurde ein abendfüllendes Programm, mit dem kein Wettbewerbs-Teilnehmer hatte wirklich konkurrieren können und das auch gar nicht im Wettbewerb gewesen war. Ein von der Generaldirektion für Unterhaltungskunst, die ja die Chansontage veranstaltete, bezahlter und produzierter Abend mit etlichen namhaften Liedermacher- und Chanson-Kollegen. Ich war vorher gefragt worden, da mitzumachen, lehnte aber ab, weil ich es für schmierig hielt, wenn ich als Wettbewerber gleichzeitig bei diesem repräsentativen, offiziellen Programm mitmachte. Ich wollte jedenfalls nicht nach Korruption riechen. Und nun sahen wir alle, die wir uns um die Preise beworben hatten, uns um den Hauptpreis beschissen.

Ich sollte den Preis des Schriftstellerverbands bekommen. Und lehnte ab. Ich war um den Hauptpreis angetreten und hatte feststellen müssen, daß es den gar nicht wirklich gab. Jedenfalls nicht für die Bewerber. Ich war wieder einmal aus der Reihe getanzt; der Eklat war perfekt. Aus heutiger Sicht hätte ich mich ab 1990 also zum DDR- und SED-Opfer erklären können. Mit Ausreiseantrag auch schon früher. Das ist ja der Stoff, aus dem schon in den 1980ern Rühr- und Empörungsgeschichten gesponnen waren. Und ab 1990 dann erst recht, von wegen Unrechtsstaat. Aber wer wollte sowas schon und den Brd-Staats-Propaganda-Nazis nach dem Munde reden? Für einen Charakter war das nichts. Und ist es heute erst recht nichts.

Unser aller seit den 1970ern Chansonmutter Gisela Steineckert nahm mich zur Brust. Also mütterlich beiseite. Um mich unartigen, störrichten Angeber zu korrigieren. Im Folgejahr wurde sie dann die Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst. Eine erhebliche Aufwertung der Genres, der Künstler und auch ihres politischen Gewichts.

Hab ich mich überreden lassen. Ihr Argument: An dem Schriftstellerverbandspreis hängt die Kandidatur. Hm. Mit Speck fängt man Mäuse. Was habe ich vom Hauptpreis – was von der Kandidatur? So ihre Überredung. Tatsächlich war kaum ein Frankfurter Hauptpreis schneller vergessen als der 1983er. Sie, also Gisela, war – und ist es immer noch – eine kluge, mütterliche Respektsperson. Leider war Hermann Kant, der Präsident der DDR-Schriftsteller, doch noch bissl respektabler, weil es seine Branche war, und er machte ihr einen recht dicken Strich durch ihre strategischen Rechnung, hier für die Lied-Dichter mehr gesellschaftliche Wertschätzung herauszuschinden. Auf der ich einer ihrer Posten unter anderen war. Es blieb dabei: Literatur mußte zwischen Buchdeckel gepreßt sein. Nach einem Viertel- oder halben Jahr war meine Kandidatur dann auch wieder vorbei: Kant hatte „njet“ gesagt zu diesem Transfer. Alle Posten gestrichen, und also Eger aus der Kandidatenliste. Und also war der Handel für mich ein Kuhhandel.

Da ich ja nun eingeknickt war im November 1983 vor ihrem mächtigen Charme, trat ich dann doch im Abschluß- und Preisträger-Konzert auf. Das ähnlich inszeniert war wie der repräsentative Abend, der neben den üppigen Generaldirektions-Honoraren auch noch den Hauptpreis abgesahnt hatte. Nur daß statt der schon gestandenen Kollegen und neben ihnen nun die Preisträger ihre Auftritte hatten. Jeder mit einem Lied, soweit ich das erinnere. Also war „Manu“ Bestandteil dieses Abends. Und da das DDR-Fernsehen seine Kameras aufgefahren hatte, wurde mein Auftritt mit diesem Lied einer von meinen 2…3 Fernsehauftritten, die ich nach meiner Erinnerung in meinen Sängerjahren absolvierte; das Genre war im Hörfunk ganz gut vertreten und zunehmend auch auf schwarzen Platten serviert, im TV eher weniger bis gar nicht. In späteren Jahren gab es dann u.a. eine Sendereihe mit der wunderbaren, großen Gisela May. Die für mich nicht taugte; ein Auftrittsangebot dort lehnte ich dankend ab. Diese Unterbelichtung könnte man natürlich in der üblichen Weise mit Zensur in der DDR begründen. Aber: Es gab ja bei uns nicht wirklich viel zu sehen, und die Popularität der DDR-Lied-Artisten hielt sich insgesamt in Grenzen. Die populärsten Sänger wie Jürgen Walther, allerdings als Chansonier, waren auch öfter im Fernsehen. Allemal war das Genre im DDR-Fernsehen, das umbenannt ja bis Ende 1991 sendete, wesentlich präsenter als seit 1992 im Besatzer-TV. Was beim DDR-Kritteln ja nicht mitgedacht werden darf.

Ein paar Monate später berichtete mir die Kollegin Gina Pietsch anläßlich eines Besuchs bei ihr, Franz-Josef Degenhardt habe diesen DDR-TV-Abend geguckt, also meinen bis dahin einzigen Auftritt in diesem, und sich bei ihr nach mir erkundigt; sie waren gut befreundet und die telefonierten desöftern, wie sie mir sagte. Ich erinnere, er habe gesagt: „Ich wußte gar nicht, daß ihr so gute Leute habt.“ Das ging natürlich runter! Rumwienum: Er bot mir an, mir einen Plattenvertrag im Westen zu vermitteln und bot mir CBS oder „pläne“ zur Auswahl. Also Kapitalismus pur und den DKP-gemäßigten Kapitalismus. Denn „pläne“ war ja das rote Label. Kapitalismus wollte ich damals schon nicht, schon gar nicht pur; tatsächlich wollte ich mit meiner Wahl für meine Person eine Wiederholung etlicher zu dieser Zeit gut bekannter Werdegänge von DDR-Künstlern vermeiden, denen im Laufe der Zeit westliche Schmeicheleien und Demark-Konten wichtiger geworden waren als das DDR-Publikum und die Aufgabe, für dieses fleißig arbeitende Volk Kunst zu machen: Becker, Biermann, Brasch, Diestelmann, Fischer, Kirsch, Krug, Kunert, Schlesinger, Wegner und wie sie alle hießen.

So darf das ja bekanntlich nicht erzählt werden. Vielmehr waren alle DDR-Künstler, die dem angeblich wertlosen DDR-Geld den Rücken kehrten und der „harten“ Demark ihre Zukunft zuwandten, reine Idealisten und bewiesen ihren Idealismus mit dieser Absage an das DDR-Geld. Und diejenigen, die in der DDR blieben und so auf die seligmachende Wirkung der Demark verzichteten, waren sämtlich Karrieristen, die alles und jedes nur des Geldes wegen taten. Schöne Logik! Die aber nirgends öffentlich erzählt werden darf. Und alle Sänger galten als besonders böse, wenn sie Biermanns Vorbild nicht für vorbildlich hielten. Nämlich als DDR-Bürger ein von Hamburg aus geführtes Demark-Konto zu haben, aber nicht darüber zu sprechen, und für seine Einnahmen weder in der DDR, noch in der Brd Steuer gezahlt zu haben, um schließlich zu seinem Konto zu ziehen. Was aber auch nie so erzählt werden durfte. Innerhalb der westlich- „pluralistischen“ sogenannten Freiheit. Der Zufall wollte es halt, daß alle diese Idealisten, die es zur Demark zog, irgendwie bitter die Unfreiheit der „Alu-Chips“ spürten und in jedem Briefträger Staatswillkür und Zensur sahen. Und ihnen im Westen auch niemand großmedial widersprach. Wie ja auch heute alle totalpluralistisch-lügenmedial einer Meinung darüber sind. Im wesentlichen derselben wie damals. Der Dichter Kunert vollbrachte unter Betonung seiner jüdischen Herkunft sogar das Kunststück, in den Staat des SS-“Arbeitgeber“-Präsidenten, des SS-ZDF-Krimi-Kommissars Tappert, des SS-Literatur-Nobel-Preisträgers Grass und der vielen SS-Staatsanwälte und -Richter zu wechseln mit dem Anti-DDR-Vorwurf, diese sei antisemitisch.

Ich entschied mich also für „pläne“ und für die UZ als Bekanntmachungs-Medium. Womit willentlich die Weichen gestellt waren für null Commerz-Karriere. Und also hielten sich die klandestinen Angebote, die Seite und das Land zu wechseln, in Grenzen. Ich wurde 2…3 mal getestet, von Westjournalisten, die ja u.a. die Aufgabe der Werbung von Überläufern und sonstiger Zusammenarbeit hatten. Meine Nichtsehnsucht nach der sogenannten Freiheit ist mir gut und bestens bekommen. Bis Ende 1989. Aber auch heute ziehe ich eine positive ideologisch-mentale Bilanz: Es war schön und beglückend, für ganz normale, arbeitende Menschen sich Lieder auszudenken, die auch diese Menschen und ihr und unser Leben zum Gegenstand hatten. Und sie nicht in Massen nach stampfenden Viervierteltakten hüpfen zu lassen, sondern in ihre Gesichter sehen zu können, wie es in den Köpfen denkt… Und damit der Traditionen der eigenen Vorfahren wie der besten Köpfe des deutschen Volkes zu folgen.



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